Weniger ist mehr 4


21. Juni 2010, 17:18Uhr

Das trifft zwar nicht für „Anzahl von Auftritten“ zu, derer man (unserer unbescheidenen Neigung nach) nie genug haben kann. Mit technischem Aufwand dafür ist es schon wieder was anderes: zum Beispiel, wenn – wie kürzlich in Wien – dem Veranstalter eine Bühne versprochen ward (vom Ober-Veranstalter?) mit einer Tonanlage drauf… „vor Ort“ aber nüscht anzutreffen ist als ein Hinterzimmer: leer bis auf Stühle und Tische (und den Siff auf dem Boden übergehen wir mit vornehmer Diskretion). Spontaner Singvøgel-Beschluss angesichts solcher Lage: Wir spielen unplugged bis die Aschenbecher wackeln.

So kamen wir, obwohl wir doch gar keine Folk Band sind (aber ohne Stromgitarren und Vollset-Drumkit können wir schon auch ein bisschen so klingen…), in den Genuss, den „Vienna Folk Club“, eine Veranstaltungsreihe im Wiener „Weberknecht“, zu eröffnen. Voilá! Wir stellten unser kleinstes Set auf – ein paar Gitarren und Bässe, Cajon, Djembe und „Gebimsel“ (Fachausdruck: Percussion) sowie den üblichen Tüddelkram (Flöten, Melodika, Mundharmonikas), schlossen die Bassgitarren an zwei batteriebetriebene Mini-Amps (je 2 Watt Rumms) an und gingen, euphorisiert von einer euphorischen Schar Singvøgel-Fans, unvermittelt in die Vollen. Niemand vermisste Boxen oder Mikrofone.

Es wurde ein schöner Abend. (Mein alter – gewöhnlich oberkritischer – Mentor Wickerl Adam, Chef der legendären Wiener Hallucination Company, ließ sich gar zu dem Kommentar hinreißen: „Singvøgel machen glücklich…“) Hinterher versuchte ich unsere Zugaben zu zählen: Rund ein Dutzend waren es geworden, darunter einige lang nicht mehr gespielte Stücke.

Wenn nach offiziellem Konzertprogramm nämlich die Stimmung kocht, machen wir am liebsten „Wunschkonzert“: Die Fans rufen uns zu, was sie als nächstes hören wollen, und das spielen wir dann (ausschließlich aus Eigenrepertoire – was anderes können wir gar nicht). Lediglich bei Sand im Getriebe und In Flammen mussten wir passen: Ersteres hatten wir nie im Trio-Programm (es handelt sich um einen reinen Klampf-Song, den Karan 2003 für eine Friedensdemo schrieb – die Fans kannten es wohl von unserem CD-Erstling Hart am Rande) – und In Flammen hatten wir zuletzt 2008 in Gütersloh gespielt, und ich zwischenzeitlich leider den Bass-Part vergessen (aber wir proben es neu ein: versprochen)! Dafür klappte – zu meiner Überraschung: denn auch dieses Lied hatte die letzten zwei Jahre lang nicht ins Programm gefunden – die Totengott-Ballade (wobei ich die Stromgitarrensoli darin, da sich die auf der Akustischen nicht greifen lassen, durch einstimmiges Vokalgebrumm ersetzte: ein solcher „Wolga-Heiden-Chor“ 😉 ist auf unserer CD Drei zu hören: in dem Fall sogar mehrstimmig).

Als mich kürzlich eine Wiener Job-Kollegin, die die Singvøgel noch nicht kennt, nach unserem Musikstil fragte, entfuhr mir mit spontanem Grinsen: „Wir spielen dein Lieblingslied…“
Das ist keine angeberische Übertreibung, sondern Erfahrungssache: In unserem Eigenbau-Repertoire von (derzeit) 65 Songs (und es werden immer mehr) hat noch jeder Fan – ob alt, ob jung, ob neu, ob treu – sein / ihr Lieblingslied gefunden! Und immer wieder sind bei irgendwelchen Gigs, zuweilen sonstwo in der Pampa des sog. „deutschsprachigen Raums“, ein paar Gesichter auszumachen, die während mancher Singvøgel-Songs die Lippen zum Text mitbewegen: nicht nur beim Refrain. (Man möchte doch meinen, dass sowas normalerweise nur Stars passiert, die Tausende Besucher anziehen – und deren Platten in jedem Dorfshop-Regal ausliegen, wenn sie nicht eh in den Charts gedudelt werden…)

Natürlich möchte jeder Musiker und jede Band auch soviele Fans wie möglich haben. Wir auch, klar. Aber ich meine immer, wir haben – und bekommen weiterhin – die besten. Unsere Fans sind so echt wie wir selber – denn nichts steht dazwischen, die Vermittlung entsteht direkt, und man feiert, weint und lacht auf gleicher Augenhöhe. Wir spielen abseits der Industrie: Keine Firma wirbt für uns als Produkt, unsere CDs gibt’s live vor Ort oder übers Netz, und wer nur Glotze guckt, lernt uns nicht kennen. Wir bedienen keinen Trend und keine Szene, haben weder auf Metal- noch auf Gothic- oder sonstwelchen stilistisch festgelegten Festivals viel verloren, und für Newcomer-Wettbewerbe sind wir bei weitem zu alt. (Sollten wir unser Stage Line Up erweitern um zwei Dreijährige mit Babyrasseln, um auf einen wettbewerbstauglichen Altersdurchschnitt zu kommen? Selbst dann bliebe noch der Fakt, dass wir alles andere als Newcomer sind!) Wer neu auf uns stößt, hört erstmal nichts Vertrautes – denn jedes unser Lieder ist aus eigener Feder: nur. Genau das ist – in unserem Fall – der Zauber.

Denn das einzige Kalkül, das in jedem Singvøgel-Song steckt, ist, dieses eine Lied so echt und so „richtig“ wie möglich zu machen: aus dem Herzen in die Hände, aus unseren Kehlen in dein Herz. Mag es für manche rein kommerzorientierte Combo zur sicht- (und leider auch oft hörbare) Katastrophe ausarten, mal vor schütteren Stuhlreihen oder sonstwie überschaubaren Besucherzahlen zu spielen: Wir machen daraus noch jederzeit ein schwitzendes, fröhliches Fest. Auch wir stellen uns fraglos gern „Massen“ – aber ob es 1200 Leute sind, 120 oder gar nur 12: Das nächste Lied ist immer für dich. Qualität trifft auf Qualität: auf der Bühne – wie davor. Um on stage zu Form aufzulaufen, brauchen wir nur dich. Dir geben wir unser Bestes, egal wieviele Leute dich umringen. Und dafür, dass du – obwohl man als Besucher/in eines Singvøgel-Konzertes bislang nur selten „in der Menge untertauchen“ kann (weshalb wir auch auf Stage Diving verzichten;-) – sei bedankt. Herzlichst: mit dem nächsten Herzblut-Lied. Wir treffen uns!


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4 Gedanken zu “Weniger ist mehr

  • MartinM

    Schön geschrieben. Fast so schön, wie Ihr spielt.
    „Wer nur Glotze guckt, lernt uns nicht kennen.“ Stimmt nicht! Oder ist „ARTE“ keine Glotze? Euch lernt nicht kennen, wer völlig anspruchlos ist – vor allem gegenüben sich selbst – und sich immer nur nach dem Prinzip „Millionen Fliegen können nicht irren – fresst Scheiße!“ entscheidet. Es stimmt leider, dass Euch viel nicht kennen lernen, weil Ihr ihnen nie über den Weg läuft – daher wünsche ich Euch schon mal einen „Überraschungs-Hit“ oder etwas in der Art.

  • thursa

    Ach, liebe Vøgel, Ihr schreibt Lieder, die nicht nur Substanz haben, sondern auch wunderbar mitsingtauglich sind. Letztens saßen etwa eine Freundin und ich zusammen und hörten die ganze „Drei“ durch – mitsingenderweise. OK: wir beide sind gesangstechnisch nicht so 100% unbeschlagen…
    Ich habe Euch noch nicht „richtig in concert“ erlebt – nur informell am Feuer, akustisch – und da rockt Ihr. Und ich freu mich schon darauf, Euch wiederzusehen und wieder mitzusingen, bis die Gläser klirren.